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ORTHOpress 03/2002

Hilfe bei Rückenbeschwerden

Ausschaltung von Schmerz durch Hitzesonde

Rund 4o Prozent der Patienten einer orthopädischen Arztpraxis klagen über von der Wirbelsäule ausgehende Schmerzen. Das ist nicht verwunderlich: Als größtes statisches Achsenorgan ist die Wirbelsäule in ihrer Funktion großen Belastungen ausgesetzt. Häufig treten daher Verschleißerscheinungen auf, die oft starke Beschwerden verursachen. Viele Menschen denken bei Rückenschmerzen zuerst an einen Bandscheibenvorfall. Glücklicherweise ist dies aber nicht immer der Fall - es gibt vielfältige Ursachen für Schmerzen an der Wirbelsäule. Die Patienten sind jedoch durch die Berichte über missglückte Wirbelsäulenoperationen derart sensibilisiert, dass sie oft lieber einen ständig zu verspürenden Schmerz in Kaufnehmen als sich einer Behandlung zu unterziehen. Dabei muss heute in den wenigsten Fällen operiert werden. Dazu der Hamburger Orthopäde Prof Dr. Bernd M. Kabelka: "Den Befürchtungen der Patienten können wir
heute gelassener als früher entgegentreten - es muss nur noch selten operiert werden. Man verfügt heute über eine ganze Reihe von Methoden, mit denen Wirbelsäulenschmerz bei geringster Traumatisierung des umliegenden Gewebes wirksam therapiert werden kann."

Schmerzende Wirbelgelenke

Schuld an heftigem Rückenschmerz ist nicht selten ein sogenanntes „Facetten-syndrom": Dies ist oft durch die Höhenmindereng des Zwischenwirbelraums als Folge von Bandscheibenschäden oder auch noch einer bereits erfolgten Bandscheibenoperation bedingt. Dabei drängen die Gelenkflächen der Wirbelbogengelenke (Facetten) schmerzhaft ineinander und führen so zur Reizung einzelner Nervenfasem. Im Gegensatz zu einer Reizung der Nervenwurzel handelt es sich hier nicht um einen fortgeleiteten, ausstrahlenden Schmerz, sondern im Allgemeinen um recht gut lokolisierbare, regional auftretende Beschwerden.

Aber auch eine Arthrose in den Gelenken der Wirbelsäule kann zu starken Schmerzen führen. Prof. Kabelka: Bei einer solchen Arthrose führen die durch den entzündlichen Prozess freigesetzten Botenstoffe zu einer fortgesetzten Nervenreizung. Die Beschwerden dieser Veränderungen können derartig schmerzhaft und langwierig sein, dass sie nicht selten mit Bandscheibenerkrankungen oder Nervenschmerzen, welche in Beine, Gesöß und Bauchraum ausstrahlen, verwechselt werden. Mit konservativen Therapien kann man hier oftmals nicht viel ausrichten, da ja die Arthrose nicht geheilt werden kann."

Wie behandelt man nun einen solchen Schmerz?

"Natürlich erfolgt zunächst ein Behandlungsversuch mit entsprechenden Medikamenten. Auch eine entsprechende Physiotherapie kann als begleitende Maßnahme im Sinne einer nicht-invasiven Therapie eingesetzt werden. Zeigen diese Maßnahmen aber keinen Erfolg oderverbieten sie sich von vornherein auf
Grund der Diagnostik, sollte man auf eine der relativ neuen minimalinvasiven Techniken zurückgreifen", erläutert Prof. Kabelka.

Eine dieser Methoden ist die Radiofrequenz-Thermokoagulation ("Hitzesonde"). Der Eingriff erfolgt ambulant, unter Lokalanästhesie, wobei der Patient auf dem Bauch liegt. Hierbei wird zunächst
unter Röntgen-oder CT Kontrolle eine nur etwa 0,2 mm dünne Sonde vorsichtig an den zu behandelnden Bereich herangeführt. Um sicherzustellen, dass ausschließlich die schmerzauslösenden Nerven behandelt werden, wird zunächst ein Reizstrom durch die Sonde geleitet, mit dem sich ihre korrekte Lage prüfen lässt. Dabei bemerkt der Patient einen leichten
Druck oder ein Kribbeln im Rückenbereich. Die Spitze der. Thermosonde erwärmt sich anschließend auf 75 °C. In nur 90 Sekunden wird so ein etwa fingernagelgroßer Bereich verödet - der Schmerz hört unmittelbar auf.

 

Verödung der schmerzenden Nervenenden birgt kaum Risiko

Da es sich um einen ambulanten Eingriff handelt, kann der Patient bereits etwa eine Stunde darauf wieder die Praxis oder Klinik verlassen und seinem gewohnten Tagewerk nachgehen. Aufgrund des durch die Schmerzfreiheit erreichten Zugewinns an Mobilität (der Patient verharrt nicht mehr in einer für ihn schmerzarmen Schonhaltung) wird bereits nach kurzer Zeit die Rückenmuskulatur merklich entspannt und auch besser durchblutet. Dies führt wiederum quasi automatisch zu einem Trainingseffekt: "Die verkrampfte Haltung weicht wieder einer natürlichen Bewegung, welche die oftmals verkümmerte Muskulatur bereits über einen kurzen Zeitraum hinweg wieder aufbaut", bemerkt Prof. Kabelka. „Durch den Stützeffekt erreicht man wiederum eine weitere Schmerzreduktion."

Der Nerv erholt sich - der Schmerz bleibt
verschwunden

Die verödeten Schmerznerven erholen sich nach ein biszweiJahren, und die Nervenenden finden wieder zueinander. Das heißt jedoch nicht, dass die Schmerzen wiederkehren, denn die lange Unterbrechung derSchmerzleitung hat auch in vielen Fällen eine positive Wirkung auf das sogenannteSchmerzgedüchtnis. So ist es nicht ungewöhnlich, dass trotz wiederkehrender Empfindung der Nerven die Schmerzfreiheit für eine lange Zeit- nicht selten für immer - anhält. Bei erneuter Beschwerdesymptomatik kann der Eingriff dann problemlos wiederholt werden. Insgesamt kann die Thermokoagulation als
äußerst effektives schmerztherapeutisches Verfahren gekennzeichnet werden, dessen Risiko mit schmerztherapeutischen Injektionen in den Rücken gleichzusetzen ist. Bei entsprechender Indikationwerden die Kosten füreine solche Behandlung daher inzwischen auch von den gesetzlichen Krankenkassen übernommen.

Keine aufwendige Rehabilitation

Anders als nach einer Wirbelsaulenoperation ist nach diesem Eingriff keine aufwendige Rehabilitation nötig, um Beweglichkeit undArbeitsfühigkeitdes Patienten wiederherzustellen; eine Rückenschule, die zu 'richtiger Haltung anleitet und zur Stärkung der tiefen Rückenmuskulatur beiträgt, sollte jedoch auch hier dafür sorgen, dass die Gefahr eines erneuten Auftretens der Beschwerden minimiert wird.

Der Hamburger Orthopäde und Sportmediziner Prof. Dr. Bernd M. Kabelka blickt unter anderem als Turnierarzt großer Tennisveranstaltungen auf eine lange Erfahrung in der Behandlung von Bewegungsorganen zurück. Für ORTHOpress hat er zusammengefasst, für wen eine Wirbelsäulenbehandlung mit der Thermosonde in Frage kommen kann:
  • Patienten mit nicht bandscheiben-bedingtem chronischem Rückenschmerz, bei denen andere Therapien nicht zum Erfolg geführt haben
  • Patienten mit schmerzhaftem Ineinander-drängen der kleinen Wirbelgelenke (Facettensyndrom)
  • Patienten mit Wirbelgelenkarihrose
  • Patienten mit chronischem, nicht ausstrahlendem VVirbelsäulenschmerz
  • Patienten mit Schmerzsymptomen nach erfolgter Bandscheibenoperation
  • Patienten mit schmerzhafter Nervoussprossung im Bereich des äußeren Bandscheibenfaserrings
  • Patienten mit lokalen Schmerzen durch einen angeboren engen oder infolge von Degeneration stenosierten Wirbelkanal

Nicht in Frage kommt die Thermokoagutation bei:

  • ausstrahlenden Schmerzen durch einen akuten Bandscheibenvorfoll
  • Lähmungserscheinungen durch sequestrierte Bandscheibenvortölle
  • Schmerzen durch osteoporosebedingte Wirbelkörpereinbrüche
  • Bei entsprechenderindikation werden die Kosten füreinesolche Behandlung von den gesetzlichen und privaten Krankenkassen übernommen