Knieprothesen - Neuartiger Kunststoff
verlängert Lebensdauer
Wer
vor etwas mehr als einemJjahrzehnt einen
Gelenkersatz benötigte, für den war meist die
sportlich aktive Zeit vorbei. Dies lag hauptsächlich
an der zu erwartenden Lebensdauer der Kunstgelenke, die sich
hauptsächlich durch maximale Schonung verbessern ließ
- das jedoch aber auch nur bis zu einem gewissen Punkt. Und
immernoch liegt die Haltbarkeit der meisten Knieprothesen
bei maximal etwa so bis 15 Jahren: Zu wenig, um auch Patienten
diesseits der 5o lebenslang prothetisch zu versorgen. Da wundert
es nicht, dass die Bestrebungen der Industrie vor allem darauf
gerichtet sind, durch den Einsatz immer neuer Materialien
den Verschleiß zu minimieren, um die Lebensdauer der
Prothesen weiter zu steigern. Ein Durchbruch scheint jetzt
dem Schweizer Medizintechnikhersteller Centerpulse mit dem
Kunststoff „Durasul" gelungen zu sein. ORTHOpress
sprach darüber mit dem Orthopäden Prof. Dr. Bernd
M. Kabelka, Chefarzt der Orthopädischen Abteilung des
Tabea-Krankenhauses in Hamburg-Blankenese.
Herr Prof. Kabelka, was begrenzt eigentlich die Lebensdauer
einer Knieprothese?
Prof. Kabelka: In einem gesunden Gelenk finden - wie überall
im Körper - ständig Regenerations-prozesse statt.
Der Gelenkknorpel wird durch die Synovialflüssigkeit
ernährt, welche gleichzeitig als
Schmiermittel für eine reibungslose Bewegung sorgt. Die
ständige Beugung und Streckung des Kniegelenks wirkt
dabei als eine Art Pumpfunktion, die sicherstellt, dass die
Synovialflüssigkeit überall dort hingelangt, wo
sie benötigt wird.
Diese natürlichen Vorgänge haben natürlich
beim Kunstgelenk keine wirkliche Entsprechung mehr, da die
aus Kunststoff bestehenden Gleitflächen nicht in irgendeiner
Form "ernährt" werden. Sie
müssen also von Anfang an so konzipiert
sein, dass sie völlig wartungsfrei funktio nieren. Das
ist bei modernen Prothesen auch der Fall, aber eben nicht
lebenslang. Als begrenzender Faktor gilt auch heute noch insbesondere
der Abrieb der Lauffläche. Während der millionenfachen
Beugevorgänge werden immer
wieder mikroskopische Teilchen aus der Kunststoffoberfläche
herausgerissen und sammeln sich im Gelenk.
Und diese führen dann zu einer Funktionseinschränkung,
ähnlich wie beim sprichwörtlichen "Sand im
Getriebe"?
Prof. Kabelka: Nicht nur. Es sind gleich mehrere Vorgänge,
die letztendlich zur Auslockerung der Prothese führen.
Zum einen vermindert der Abrieb natürlich zwangsläufig
die Oberflächengüte der
Lauffläche, so dass zur Beugung rein theoretisch immer
mehr Kraft aufgewendet werden muss. Die Oberfläche wird
rauher- ganz ähnlich wie beim arthrotischen Gelenk, wo
der ständige Knorpelverlust ein immer schnelleres Fortschreiten
der Krankheit nach sich zieht. Da mit
diesem Abrieb anders als bei einer schweren Arthrose aber
kein direkter Schmerzreiz mehrverbunden ist, fällt dieser
Umstand zunächst nicht auf. Zum anderen geht man heute
davon aus, dass der Abrieb im Gelenk eine entzündliche
Reaktion auslöst, welche ihrerseits einen Knochenschwund
begünstigt. Diese führt dann zur Auslockerung des
Prothesenplateaus und damit über längere Zeit zur
Instabilität. Ein weiterer Faktor, welcher hinzukommt,
ist auch die Höhenminderung im Gelenk: Die Gleitflächen
werden immer dünner, so dass der das Kniegelenk führende
Muskel-/Bandapparat an Spannung verliert.
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Das soll nun miteinem neuartigen Kunststoff
anders werden. Woraus besteht „Durasul" und welche
Vorteile hat es? Prof. Kabelka: Seit Anfang der 60er Jahre
werden die Laufflächen von Knieprothe sen aus Polyäthylen
hergestellt. „Durasul" ist nun eine Weiterentwicklung,
welche seit einigen Monaten für den künstlichen
Kniegelenkersatz erhältlich ist. Da bei wird in einem
speziellen Herstellungsprozess eine besondere Oberflächenvergütung
geschaffen. Diese ist so widerstandsfähig, dass praktisch
kein
Materialabrieb auftritt. Darüber hinaus macht die Veredlung
die Gleitflächen unempfindlich für Oxidationsprozesse,
die zur vorzeitigen Materialermüdung führen. Konventionelle
Materialien zeigen hier in Untersuchungen eine Alterung, welche
ihrerseits wieder zur Delamination führt - das heißt,
die Oberfläche wird
durch Abschuppung sukzessive zerstört.
Wie immer in der Medizin zeigen ja erst Langzeituntersuchungen,
wie es wirklich
um die Eigenschaften neuartiger Prothesen bestellt ist. Kann
man hier bereits sagen, dass sich der neue Kunststoff er wartungsgemäß
verhält?
Prof.
Kabelka: Die Durasul-Einsätze sind auf dem AMTI-Kniesimulator
des Massachusetts Institute of Technology (MIT) getestet worden,
welcher eine Dauerbelastung des Kniegelenks realistisch
nachempfindet. Nach einer Simulation von über 10 Millionen
Gangzyklen - dies entspricht in etwa der Belastung, welche
eine Knieprothese in 10 Jahren aushalten muss - konnten keine
Delamination
und nur extrem wenig Abrieb festgestellt werden. Man kann
dahertatsüchlich davon ausgehen, dass sich damit die
Lebensdauer der Prothesen erheblich steigern lässt.
Kann das neue Material nur bei Knieprothesen eingesetzt werden
oder bietet sich der Einsatz auch für Hüftgelenkersatz
an?
Prof. Kabelka: Auch bei Hüftgelenken, die bereits seit
1999 eingesetzt werden, erhofft man sich eine signifikante
Erhöhung der Lebensdauer. Hier sind die Vorteile sogar
möglicherweise noch größer, denn das verschleißarme
Durasul ermöglicht
die Verwendung von größeren Hüftköpfen
mit hoher Stabilität. Diese wurden ebenfalls mit 11 bzw.
27 Millionen Bewegungszyklen getestet, ohne dass ein Nachlassen
der Oberflächengüte feststellbar gewesen wäre;
tatsächlich war anhand der bei der Fertigung angebrachten
Markierungen nachweisbar, dass kein Abrieb stattgefunden hatte:
Bei herkömmlichen Prothesenmodellen sind diese Markierungen
bereits nach erheblich weniger Bewegungszyklen sichtbar beschädigt.
Auch die Marktüberwachungsstudien, welche in Deutschland
und in Schweden durchgeführt wurden, zeigten, dass nach
nur zwei Jahren bereits der geringere Verschleiß der
Durasul-Oberflächen messbar war.
Wie beurteilen Sie die Bedeutung dieser Entwicklung für
die Endoprothetik insgesamt?
Ich denke, dass mit der Durasul-Oberfläche eine Revolution
in der Entwicklung des Gelenkersatzes eingeläutet worden
ist - am Ende dieser Entwicklung könnte tatsächlich
eine lebenslange prothetische Versorgung stehen, so dass viele
der heute nach einiger Zeit notwendigen Revisionseingriffe
überflüssig werden.
Herr Prof. Dr. Kabelka, haben Sie herz-
lichen Dank für das Gespräch!
Prof
Dr. Kabelka: „Ich denke, dass hiermit eine Revolution
in der Entwicklung des Gelenkersatzes eingeläutet worden
ist - am Ende dieser Entwicklung könnte tatsächlich
eine lebenslange prothetische Versorgung stehen".
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